Rezension von Bernhard Beier

An dieser Stelle möchte ich auf eine Rezension von Bernhard Beier hinweisen, die ich hier mit seiner freundlichen Genehmigung vorab veröffentlichen kann. Herr Beier betreibt die gerade im Aufbau befindliche Seite "www.atlantisforschung.de".


Rainer Krämer: Atlantis - Das Rätsel des Aristokles

Rezension von Bernhard Beier (Atlantisforschung.de)

Dass es für all diejenigen, die sich tiefer gehend mit der Atlantisforschung beschäftigen wollen, nur sehr wenig geeignete Einstiegsliteratur in die Materie gibt, hat verschiedene Gründe. Zu den wesentlichen gehört die Tatsache, dass sowohl Atlantologen (also diejenigen, die im Bereich der Forschung aktiv sind) als auch Atlantologie-Kritiker (womit hier zunächst solche Betrachter gemeint sind, die als Außenstehende darüber schreiben) in aller Regel vordringlich darum bemüht sind, ihre ganz persönlichen Auffassungen zum Thema 'Atlantis' unter die Leute zu bringen, seien es nun Forschungsergebnisse im engeren und weiteren Sinne, oder auch nur Vorurteile bzw. deren Kolportage. Quasi neutrale, am Bedürfnis nach Vermittlung objektiver Information und der Darstellung grundlegender Zusammenhänge orientierte, und gleichzeitig von fachlicher Kompetenz getragene Publikationen sind somit in diesem Bereich eher 'Mangelware'.

Von daher freut sich der Rezensent ungemein, an dieser Stelle ein im April 2009 erschienenes, im besten Sinne populärwissenschaftliches, Atlantis-Büchlein - und das "-lein" bezieht sich hier ausdrücklich nur auf die geringe Seitenzahl! - vorstellen zu können, das in der Tat besonders all denjenigen zu empfehlen ist, die sich daran machen, das weitgehend 'unbekannte Wesen' Atlantisforschung näher kennen zu lernen. Die Rede ist von Rainer Krämers "Atlantis - Das Rätsel des Aristokles", das sich mit dem höchst interessanten Aspekt fachwissenschaftlichen Umgangs mit dem Atlantis-Problem durch Forscher befasst, die Platons Atlantisbericht nicht als fiktionalen Text betracht(et)en.

Genauer gesagt, stellt R. Krämer in seinem Erstlingswerk die Arbeiten einer Reihe von Archäologen und Altphilologen des 20. Jahrhunderts vor, die sich - ganz anders als der Mainstream ihrer 'Zünfte' - nicht nur aktiv mit Atlantisforschung befasst, sondern zumeist auch ganz konkret 'im Felde' nach dem von Platon beschriebenen Reich der Vorzeit bzw. nach dessen Metropolis gesucht haben. Namentlich sind hier, in der Reihenfolge, in der sie in "Atlantis - Das Rätsel des Aristokles" be- oder angesprochen werden, Adolf Schulten (Kapitel: "Tartessos"), Wilhelm Brandenstein, Spyridon Marinatos (Kapitel: "Der Untergang der Minoer") [1], Eberhard Zangger (Kapitel: "Troja") und H. Görgemanns sowie Rainer W. Kühne [2] (Kapitel: "Ägypten und die Seevölker") zu nennen. Angefügt sei dazu, dass der Schwerpunkt der genannten Kapitel z.T. weniger auf den Atlantis-Lokalisierungen der genannten Forscher als auf einer Diskussion der in Frage kommenden Örtlichkeiten vor dem Hintergrund ihres atlantologischen Interesses liegt, wobei Krämer - mithin selber ein Berufsarchäologe - bisweilen mit höchst interessanten Detailinformationen aufwartet, womit das Buch auch InsiderInnen einiges Neue bieten dürfte.

Darüber hinaus liefert Rainer Krämer zu Beginn seines Atlantis-Buchs in drei erläuternden Kapiteln ("Die Legende", "Atlantis - eine Fiktion?", "Antike Geographie") sowie mit mehreren Stichwort-Erläuterungen im Anhang ("C-14 Methode", "Absolute Chronologie", "Relative Chronologie", "Minoische Kultur") aber auch einige wesentliche bzw. zum Verständnis der Materie notwendige Basis-Informationen, was gerade LeserInnen ohne jegliche Vor- und Fachkenntnisse dankbar zur Kenntnis nehmen werden.

Ob das Buch auch Mängel aufweist? Spontan, aber auch bei einigem Nachdenken, fällt dem Rezensenten dazu lediglich ein, dass "Atlantis - Das Rätsel des Aristokles" ruhig etwas umfangreicher hätte ausfallen dürfen, z.B. durch eine flankierende Einbeziehung der Atlantisforschungen weiterer, "fachfremder", Berufs-WissenschaftlerInnen, und auch zu den Personalia der erwähnten Forscher wäre etwas umfassendere Informaton wünschenswert, aber das sind natürlich keine wirklich gewichtigen Kritikpunkte. Sicherlich werden Kenner der Materie hie und da, in Detailfragen, anderer Auffassung als Krämer sein, aber im Großen und Ganzen zeichnet sich sein durchweg sauber recherchiertes sowie sine ira et studio verfasstes Buch durch eine Objektivität der Darstellung aus, wie sie bei AutorInnen aus dem 'Real existierenden Wissenschaftsbetrieb' leider nur selten zu finden ist.

Somit werden es ihm auch Anhänger und Betreiber devianter oder grenzwissenschaftlich orientierter Atlantisforschung sowie überzeugte Verfechter bestimmter Lokalisierungs-Hypothesen kaum verübeln, dass er im Kapitel "Atlantis gefunden?" nonkonformistischen Modellen zur Atlantis-Lokalisierung eine, zudem ohne jede Häme und Polemik formulierte, Absage erteilt, und zu dem Schluss kommt, ein "konkreter Ort, den man mit der Erzählung des Kritias in Verbindung bringen kann", sei "nach heutigem Forschungsstand nicht in Sicht." (S. 107) Zu 'meckern', um es abschließend noch einmal deutlich zu formulieren, werden an seinem Buch also vermutlich nur diejenigen etwas finden, für die Atlantisforschung schlechthin die Beschäftigung mit einem "pseudowissenschaftlichen" Thema darstellt, und die jeden nicht von vorne herein ablehnenden Umgang damit für eine "Zumutung" halten - was den Autor vermutlich ebenso wenig belasten wird, wie es bei diesem Rezensenten der Fall ist.

Fazit: Zumal "Atlantis - Das Rätsel des Aristokles" schwungvoll geschrieben und somit auch unter literarischen Gesichtspunkten (man beachte etwa das phantasievolle und humorige Einstiegskapitel "Eine kleine Vorgeschichte"!) durchaus lesenswert ist, kann es der Rezensent mit gutem Gewissen sowohl 'Atlantis-Neulingen' als auch Fachleuten empfehlen, und er darf seiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dieses kleine, aber gehaltvolle, Werk möge seinen verdienten Platz in der Standardliteratur zur Atlantisforschung finden. Auf weitere Publikationen des Autors - hoffentlich auch mehr zum Thema 'Atlantis'! - darf man jedenfalls gespannt sein.


Anmerkungen

[1] Warum Rainer Krämer in diesem Kapitel die durchaus wesentlichen Arbeiten von Angelos Galanopulos 'außen vor' lässt, versteht der Rezensent allerdings nicht. Galanopulos war zwar weder Philologe noch Archäologe, sondern von Hause aus Seismologe, hätte aber aufgrund seiner besonderen Bedeutung für die Entwicklung der 'kreto-minoischen' Atlantis-Lokalisierung zumindest eine Erwähnung am Rande verdient. Immerhin nennt Krämer ja auch Rainer W. Kühne (siehe Anm. 2).

[2] Dr. Rainer W. Kühne ist übrigens kein Fachwissenschaftler aus dem hier relevanten Bereich, sondern von Beruf Physiker

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